Verhaltensthemen

Einen Hund aus dem Tierschutz zu adoptieren, ist nicht nur ein sehr sozialer Akt, es kann auch viele Vorteile haben, solchen Hunden ein Zuhause zu bieten.

Da wir uns aber auf die Fahne geheftet haben, nicht alles nur durch die rosa Brille zu sehen, sondern Tierschutz mit Herz und Verstand zu betreiben, möchten wir auch ein paar Verhaltensthemen nennen, die bei manchen Hunden vorkommen können. Üblicherweise sind das keine anderen Trainingsthemen als bei Hunden aus einer Zucht, wir möchten nur darauf hinweisen, dass auch Hunde aus dem Tierschutz erzogen werden wollen und müssen.

Themen, die auftreten können:

Im Tierheim sind Hunde die meiste Zeit ohne Menschen. Schließlich gibt es viele Tiere zu versorgen und für jeden einzelnen Hund ist nur wenig Kapazität frei. Manche Hunde aus dem Tierschutz können vom ersten Tag an auch mehrere Stunden ohne Probleme alleine bleiben. Doch bei manch anderen klappt das Alleinebleiben nicht immer automatisch. Für Hunde ist es unnatürlich alleine zu sein, sie haben stets ihr Rudel um sich. Viele Hunde klammern sich deshalb von der ersten Sekunde an ihren neuen Menschen und wollen dann eben nicht mehr alleine sein. Daher sollte man das Alleinebleiben – wie wenn man einen Welpen übernimmt – auch mit einem erwachsenen Hund aus dem Tierschutz in kleinen Etappen üben, allerdings sofort mit dem Training starten. Wartet man zu lange ab, wird das Training mitunter immer schwieriger, weil die Bindung zum Menschen immer stärker wird. In der Zeit, in der nicht trainiert wird, darf ein Hund allerdings nicht alleine gelassen werden. Wie schnell das Training voran schreitet, kann nicht im Vorhinein gesagt werden. Mitunter kann es auch viele Wochen dauern, bis ein Hund über mehrere Stunden alleine gelassen werden kann. Daher braucht es vorab unbedingt einen Betreuungsplan für Zeiten, in denen der Hund alleine bleiben müsste.

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Oft sind Hunde aus dem Tierschutz regelrechte Müllschlucker. Sie nehmen alles auf, was sie auf dem Boden finden. Dies kann damit zusammenhängen, dass sie einst davon abhängig waren. Gefressen wurde alles, was man fand, um zu überleben. Frisst man es nicht selbst, frisst es vielleicht ein Artgenosse weg. Für den Menschen ist diese Angewohnheit oftmals jedoch eine eklige Angelegenheit bzw. kann sie auch ein Gesundheitsrisiko für den Hund darstellen. Bekommen Hunde in ihrem neuen Zuhause ausreichend hochwertiges Futter zu fressen, kann dies schon eine Veränderung herbeiführen. Da es sich aber oft um ein eingefahrenes Muster handelt, braucht es meist noch zusätzliches Training. Als Erste-Hilfe-Maßnahme muss der Hund an der Schleppleine geführt werden, damit er sich nicht einfach auf die Suche nach Fressbarem machen kann. Auch die Gewöhnung an einen gutsitzenden Maulkorb (mit Anti-Giftköder-Schutz) ist sinnvoll, da dadurch nichts aufgenommen werden kann. Außerdem ist es wichtig, dass ein Spaziergang spannend gestaltet wird, sodass ein Hund nicht aus reiner Langeweile oder um Aufmerksamkeit zu bekommen, wahllos vom Boden frisst. In einem gezielten Anti-Giftköder-Training können Hunde auch lernen, ihre Menschen auf Fressbares aufmerksam zu machen, bevor sie es einfach abschlucken, bzw. dieses zu verweigern.

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Bei einigen Hunden aus dem Tierschutz lässt die Optik den Schluss zu, dass es sich zumindest zu einem Teil um einen Herdenschutzhund handelt. Gerade in Ländern, in denen Herdenschutzhunde noch aktiv als solche eingesetzt werden, sind Rassevertreter auch im Tierschutz zu finden.
Herdenschutzhunde sind meist sehr große Hunde, die dafür gezüchtet wurden, auf eine Herde aufzupassen und diese vor Raubtieren zu schützen. Sie sind dabei auf sich alleine gestellt und leben autark mit der Herde zusammen. Der Hirte kommt nur ab und zu vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Herdenschutzhunde vertreiben Eindringlinge und potentielle Gefahren für die Herde, also Wölfe, Bären, aber auch Menschen. Sie beschaffen sich meist selbst ihre Nahrung, jagen also zum Beispiel Kaninchen. Sie entscheiden dabei selbst, wie sie zu handeln haben, und fragen dafür nicht bei einem Menschen nach, wie es Hunde machen, die für die Arbeit MIT dem Menschen gezüchtet wurden.
Daher bringen Herdenschutzhunde, oder Mischlinge daraus, ein hohes Maß an Selbstständigkeit mit. Sie haben zudem ein hohes Bewusstsein für Territorien – sie wurden schließlich dafür gemacht aufzupassen. Nimmt man einen Herdenschutzhund(-mix) zu sich, muss man sich dessen bewusst sein. Dazu kommt, dass ein so großer Hund recht spät erwachsen wird, oft erst mit drei bis vier Jahren. Erst da weicht dann die „jugendliche Naivität“ der Ernsthaftigkeit des Alters. Viele für den Menschen problematische Verhaltensweisen treten also erst recht spät zum Vorschein. Noch mehr als bei anderen Hunden braucht es in der Haltung dieser Hunde daher sehr klare Strukturen und einen Rahmen, den der Mensch vorgibt. Auch Herdenschutzhunde können lernen, dass es Spaß macht, mit ihren Menschen zusammenzuarbeiten. Es braucht aber oft eine für diese Hunde „sinnvolle“ Beschäftigung, am Erlernen eines unnötigen Tricks sind Herdenschutzhunde meist selten interessiert. Dass es aber sinnvoll ist, den Futterbeutel dem Menschen zu bringen, und sich so sein Futter zu erarbeiten – das kann jeder Herdenschutzhund mit Freude lernen. Ebenso geben sie gern Verantwortung an ihre Menschen ab, wenn diese zeigen, dass sie in der Lage sind, das gemeinsame Leben zu managen. Konsequente Erziehung (und nicht ausschließlich bedingungslose Liebe) ist für jeden Hund wichtig, um ihm ein Gefühl der Sicherheit und Stabilität zu vermitteln. Bei Herdenschutzhunden ist das aber wirklich ein absolutes Muss, um einen alltags- und gesellschaftstauglichen Hund zu haben.

Hunde jagen, weil es ihnen großen Spaß bereitet. Während des Jagens werden Hormone ausgeschüttet, die dafür sorgen, dass Jagen an sich (auch Jagen ohne Erfolg) regelrecht süchtig macht. Auch Hunde, die regelmäßig ihre Nahrung erhalten, also nicht jagen müssen, um zu überleben, zeigen Jagdverhalten. Bei Hunden, die einst auf der Straße gelebt haben, kann hinzu kommen, dass Jagen eben auch Sinn machte, um Nahrung zu bekommen, sie also davon existenziell abhängig waren und sie bereits einige Jagderfolge für sich verbuchen konnten. Auch wenn Hunde in den ersten Wochen oder im Tierheim kein Jagdverhalten zeigen, kann es sein, dass dieses Verhalten noch zum Vorschein kommt. Das Wichtigste ist auf jeden Fall die Verhinderung des Ausführens. Zum Jagen darf es also erst gar nicht kommen. Nicht nur, weil es gefährlich für den Hund sein kann (Straße, Jäger etc.), sondern auch, weil es dazu führt, dass ein Hund immer wieder jagen wollen wird. Jagen hat tatsächlich Suchtpotenzial, deshalb sollte ein Hund möglichst nicht auf den Geschmack kommen. Eine Schleppleine, die den Hund am Hetzen hindert, ist daher vor allem zu Beginn ein Muss. Zur Sicherheit sollte man auch einen GPS-Tracker am Brustgeschirr befestigen, damit man den Hund im Fall der Fälle orten kann.
Auch wenn Jagen zu den Grundmotivationen eines Hundes gehört und man das Bedürfnis danach nicht einfach „wegtrainieren“ kann, ist es möglich, durch gezieltes Anti-Jagd-Training eine Beeinflussung seines Hundes in allen Lebenslagen zu schaffen. Ein perfekter Rückruf, ein hohes Maß an Impulskontrolle und viel Beschäftigung gehören hier dazu.

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Kastration ist im Tierschutz oft nach Übernahme eines Hundes Pflicht. Dabei soll vor allem eine unerwünschte Vermehrung verhindert werden, die es auch auf alle Fälle zu verhindern gilt. Dennoch kann Kastration kein Argument dafür sein. Als Hundehalter:in sollte man immer dazu fähig sein, seinen Hund soweit unter Kontrolle zu haben, dass es nicht zu einer unerwünschten Verpaarung kommt. 

Hinzu kommt, dass Sexualhormone in der Entwicklung eines Hundes eine große Rolle spielen und somit kann eine frühzeitige Kastration auch negative Auswirkungen haben. Gerade unsichere Hunde brauchen ihre Sexualhormone oft, um reifen zu können.

Sollte es tatsächlich Verhaltensprobleme geben, die in direktem Zusammenhang mit der Sexualität des Hundes stehen, oder es eine medizinische Indikation (z.B. Hodenhochstand beim Rüden) geben, muss natürlich über eine Kastration nachgedacht werden bzw. kann sie nicht vermieden werden.

Kastration wird jedoch auch oft als Problemlösung für viele Verhaltensweisen herangezogen, die gar nicht im Zusammenhang mit der sexuellen Motivation des Hundes stehen. So können Jagdverhalten oder viele Formen von Aggression (z.B. territorial motivierte Aggression, Aggression aus Selbstschutz) mit einer Kastration nicht verändert werden.

Vorsicht ist auch geboten beim Begriff „Hypersexualität“. Nicht jeder Rüde, der bei einer läufigen Hündin in der Nachbarschaft etwas unruhig wird, ist hypersexuell und damit Kastrationskandidat. Sexualität ist häufig eine Statussache. So ist in der Natur selbstverständlich, dass in einem Rudel aus Wölfen, Wildhunden oder auch verwilderten Haushunden durchschnittlich 5 Rüden und 2 bis 3 Hündinnen ohne Kastration harmonisch zusammenleben. Nur der Ranghöchste oder maximal der Rangzweite sind zur Verpaarung berechtigt, dies ist auch bei den Weibchen so. Daraus lässt sich schließen, dass 70% der freilebenden Caniden nie zum Deckakt kommen und dennoch ein glückliches Leben führen. Bei vielen unserer Haushunde ist die Aufgabenverteilung im Mensch-Hund-Rudel aber leider nicht so klar. Aus oft zu gut gemeinten Gründen leben Hunde mit zu vielen Privilegien ohne erzieherische Grenzen mit uns Menschen zusammen. Unklare Strukturen führen meist dazu, dass Hunde, die von Hause aus in klaren sozialen Hierarchien leben, selbst versuchen, Lücken zu füllen und Aufgaben zu übernehmen.

Zeigen besonders Rüden aber trotz gutem und konsequentem Training dennoch Anzeichen für übersteigert sexuelles Verhalten, so kann eine Kastration hilfreich sein, um nicht zuletzt Dauerstress für den Hund zu verhindern.

Ob ein Hund mit Katzen verträglich ist, lässt sich im Tierschutz meist nur schwer testen. In der Regel ist die Vergesellschaftung mit einer Katze mit gutem Training möglich und es gibt etliche Beispiele für Hunde aus dem Tierschutz, die in perfekter Harmonie mit Katzen leben. Hunde können nämlich durchaus lernen, dass die Katze Teil des Rudels ist. Die Katze ist dann wie der Mensch auch Sozialpartner. Hilfreich ist es auf jeden Fall, wenn die Katze bereits an Hunde gewöhnt ist und nicht sofort ein Jagdverhalten des Hundes auslöst, indem sie wegrennt. Zu Beginn sollten trotzdem Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden: ein Bereich für die Katze, den der Hund nicht betreten darf, ein Trenngitter, eine Leine etc. Dann kann eine Annäherung in aller Ruhe stattfinden.
Auch wenn die eigene Katze akzeptiert wird, bedeutet das übrigens nicht, dass ein Hund mit allen Katzen verträglich ist. Gerade fremde Katzen, die den eigenen Garten betreten, werden oft als Störenfriede wahrgenommen und lösen bei vielen Hunden Territorialverhalten aus. Die Katzen werden dann nicht GEjagt, sondern vielmehr VERjagt.

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Viele (erwachsene) Hunde sind in ihrem neuen Zuhause automatisch stubenrein. Sie wollen ihr neues „Nest“ gar nicht erst beschmutzen. Trotzdem sollte man auch diesen Hunden sehr regelmäßig die Möglichkeit bieten, sich draußen zu lösen, damit dieses richtige Verhalten verstärkt wird.
Wieder andere Hunde sind trotz ihres erwachsenen Alters nicht stubenrein. Das kann unterschiedliche Gründe haben: Die meisten Hunde haben Stubenreinheit einfach nicht gelernt, in ihrem Zwinger mussten sie sich schließlich auch lösen, wenn es nötig war, bzw. haben sie noch nie eine „Stube“ von innen gesehen. Manch andere sind zu Beginn in ihrer neuen Umgebung verunsichert und wollen draußen möglichst keine Spuren von sich hinterlassen. Das kennt man auch von vielen Welpen (auch vom Züchter). Jede Hinterlassenschaft macht andere Hunde schließlich auf sich aufmerksam. Lösen kann man sich nur in der Sicherheit, und das ist dann eben die neue „Höhle“. Das Training funktioniert unabhängig vom Alter wie beim Welpen: Der Hund wird in regelmäßigen Abständen (zu Beginn kann das alle zwei Stunden sein) nach Draußen an eine Stelle gebracht, an der er sich lösen soll. Je ruhiger der Ort, desto einfacher gerade für unsichere Hunde, sich auf das Lösen zu konzentrieren. Der Hund wird am besten gleich ruhig verbal gelobt. Ebenso kann bereits ein Signal für den Prozess eingeführt werden, z.B. das Wort „Gassi“, wann immer sich der Hund gerade löst.
Sehr unsichere Hunde können übrigens auch ein sogenanntes submissives Urinieren zeigen. Werden sie von einem Menschen angesprochen oder tritt man zum Beispiel bei der Begrüßung mit ihnen in Kontakt, fangen sie an zu urinieren. Es handelt sich dabei um ein „Ablenkungsmanöver“ aus Unsicherheit. Hier hilft einzig und alleine eine sensible Körpersprache und Ignoranz. Merkt der Hund, dass der Mensch sich gar nicht mit ihm beschäftigt und damit auch nicht bedrohlich ist, gibt es auch keinen Grund, sich gar so unterwürfig zu zeigen. Viele Hunde zeigen dieses Verhalten bei der Begrüßung, auch wenn der eigene Mensch nachhause kommt. Das bedeutet nicht, dass ein Hund deshalb Angst vor seinen Menschen hat, sondern nur, dass er eben sehr sensibel kommuniziert und durch die direkte, oft ein wenig unsensible Ansprache des Menschen verunsichert ist.

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Territorialität meint das Bewusstsein eines Hundes für „seinen“ Grund und Boden. Während manche Hunde nur ihre Wohnung, ihr Haus oder ihren Garten als ihr Territorium ansehen, meinen manch andere, die ganze Welt gehöre ihnen. Das kann mit der Rasse bzw. den Rassen, die sich im Hund vereinen, zusammenhängen, ist aber auch eine individuelle Charaktereigenschaft. Im Tierheim ist es oft nur schwer zu beurteilen, ob ein Hund eine territoriale Motivation hat. Viele Hunde zeigen diese erst, wenn sie in ihrem neuen Zuhause auch richtig „angekommen“ sind. Es kann also durchaus vier bis sechs Wochen dauern, bis ein Hund zeigt, dass er die neue Umgebung als sein Territorium betrachtet. Dieses Territorialverhalten kann sich auf unterschiedliche Art zeigen: Warnwuffen bzw. Bellen bei Geräuschen, die der Hund als Bedrohung wahrnimmt, bis hin zu Aggressionen gegenüber anderen Lebewesen, wenn sie sich „unerlaubt“ im Territorium aufhalten bzw. dieses betreten. Deshalb ist es als Mensch wichtig, von Anfang an territoriale Verantwortung zu übernehmen und dem Hund zu signalisieren, dass Sicherheit von ihm ausgeht und der Hund die Rolle des Türstehers nicht übernehmen muss.

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Auch wenn es nicht vollkommen auszuschließen ist, dass ein Hund in seinem „früheren Leben“ schlechte Erfahrungen gemacht hat, ist es doch viel wahrscheinlicher, dass ein Hund einst gar keine Erfahrungen gemacht hat. Der Mythos vom Hund, der keine Männer mag, weil er getreten wurde, ist also meist einfach nur ein Mythos.
Bereits als Welpe sollte ein Hund möglichst alle Umweltreize kennenlernen, die er in seinem späteren Leben braucht, um diesen Reizen angstfrei und ohne Skepsis begegnen zu können. Dieser Prozess wird Sozialisierung genannt und betrifft viele verschiedene Reize, die auf positive Art und Weise an den Hund herangeführt werden sollten: Berührungen an allen Körperstellen, Menschen jeden Geschlechts und Alters, Umweltgeräusche, Haushaltsgeräusche, andere Hunde, andere Tiere, haptische Erfahrungen (z.B. verschiedene Untergründe, wie Beton, Wiese, Fiesen etc.). Nur wenn ein Hund diesen Reizen immer wieder ausgesetzt wird, tritt eine so genannte Generalisierung ein. Lernt ein Hund also beispielsweise zehn unterschiedliche Männer (mit Brille, mit Bart, mit Hut, mit Stock etc.) als ihm freundlich gesinnt kennen, schließt er daraus, dass alle Männer freundlich sind. Fehlt dem Hund aber diese Sozialisierungsphase, muss jede Begegnung neu bewertet werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der ängstliche Hund eben nicht von einem Mann geschlagen wurde, sondern er keine Erfahrungen mit Männern gemacht hat und diese nicht einordnen kann. Es braucht dann viel Verständnis und Geduld, um den Hund langsam an diese neuen Reize zu gewöhnen. Gleichzeitig muss ihm viel Sicherheit geboten werden und auf die Bedürfnisse des Hundes Rücksicht genommen werden. Es stärkt die Bindung ungemein, wenn ein Hund merkt, dass sein Mensch die Bedürfnisse erkennt und entsprechend handelt, z.B. einen Menschen auf Abstand hält, der dem Hund gerade zu nahe kommt.

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Auch die Verträglichkeit mit Artgenossen kann sich nach Übernahme eines Hundes noch verändern. Im Tierheim gibt es meist ein bestehendes Rudel, im dem klare Strukturen herrschen. Probleme werden über die feine Körpersprache der Hunde untereinander gelöst. Gerade Hunde, die auf sich alleine gestellt gelebt haben, sind davon abhängig, dass ihre Körpersprache verstanden wird und sie die Körpersprache anderer Hunde verstehen. Diese feine Kommunikation lernen jedoch nicht alle Hunde und dadurch kommt es dann oft zu Missverständnissen. So manch plump sozialisierter Hund kann die feinen Nuancen einer Drohung vielleicht nicht immer lesen und überfordert sein Gegenüber.
Dasselbe gilt für die Kommunikation mit Menschen. Viele nicht gut sozialisierte Hunde können Menschen, die meist nicht nur stumpf kommunizieren, sondern einem Hund aus Unwissenheit sogar oft drohend begegnen, nicht richtig einschätzen. Der Mensch meint es gut, spricht den Hund an, beugt sich vielleicht noch über ihn und der Hund kann diese Gesten nicht lesen und reagiert eben, wie auf eine Drohung reagiert wird: mit Drohgesten seinerseits, um diesen Menschen auf Abstand zu bekommen.
Neben einer Aggression aus Unsicherheit bzw. Selbstschutz kann es natürlich noch andere Auslöser für Unverträglichkeiten geben, wie z.B. eine territorial oder sozial motivierte Aggression. Territorial motivierte Aggression meint, dass ein Hund Artgenossen oder Menschen auf „seinem“ Grund und Boden nicht duldet, weil er sie als Eindringlinge in das eigene „Territorium“ ansieht. Manche Hunde haben dabei durchaus ein mobiles Territorium, stecken ihre Grenzen also überall ab, wo sie sich aufhalten. Dahingegen meint eine sozial motivierte Aggression, dass der Mensch aus Sicht des Hundes verteidigt werden muss. Was landläufig als „Eifersucht“ bezeichnet wird, meint eigentlich, dass ein Hund glaubt, Verantwortung für seinen Menschen übernehmen zu müssen und damit auch entscheiden möchte, wer sich an seinen Menschen annähern darf.
Von Anfang sollte der Mensch daher die Rolle eines „Bodyguards“ übernehmen und seinem Hund Schutz bieten, wo immer dies möglich ist. Nichts soll sich der Hund „selbst ausmachen“ müssen oder eben glauben, der Mensch ist nicht fähig, Sicherheit zu bieten oder die Bedürfnisse des Hundes zu erkennen. Die meisten Hunde sind wahnsinnig froh, wenn sie merken, dass ihre Menschen sich kümmern und geben nur zu gern die schwierige Aufgabe des Aufpassens ab. Um eine richtige Einschätzung zu bekommen und das Handwerkszeug für diese Rolle als „Sicherheitsbeauftragter“ zu erhalten, sollte gleich eine gute Hundeschule besucht und mit dem Training begonnen werden.

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- Pfotenherz-Tierschutz mit Verstand e.V.